Auf der einen Seite Stallkleidung und Gummistiefel, auf der anderen Seite chice Hose, Bluse und Schmuck. Für Ursula Jakob aus Ins gehören beide Arbeitstenüs zum Alltag dazu. Mehrmals täglich wechselt die Bäuerin, die auf einem Milchwirtschaftsbetrieb zuhause ist, und Geschäftsführerin eines Modegeschäfts die Arbeitskleidung. «Dieser ständige Wechsel von Gummistiefel zu chic ist ein Stilbruch – und der passt zu mir», erklärt die Mutter zweier Töchter (Jg. 2006 und 2015). In ihrem Alltag bewegt sie sich zwar in unterschiedlichen Berufskreisen. Doch so weit voneinander entfernt sind ein kleineres und mittleres Unternehmen (KMU), wie ihr Modegeschäft eines ist, und die Landwirtschaft nicht.

Ein Bauernbetrieb ist auch ein KMU

Denn auch ein Landwirtschaftsbetrieb sei im Grunde genommen nichts anderes als ein KMU. «Bauern sind auch Unternehmer, gehen Risiken ein und stecken auch sonst viel ein.» Das weiss Ursula Jakob nicht erst, seit sie im Herbst 2022 als Präsidentin der Berner KMU-Frauen, gewählt wurde. KMU-Frauen Bern ist ein Netzwerk für selbstständige Unternehmerinnen, Gewerbefrauen und mitarbeitende Partnerinnen sowie Frauen in leitenden Positionen, tätig in unterschiedlichen Branchen und Berufen.

«Vorne dran stehen und moderieren, da musste ich aus meiner Komfortzone raus und das noch etwas üben. Aber siehe da: Es geht, man wächst mit allem.» 

Ursula Jakob zu den Anfängen als Präsidentin der KMU-Frauen Bern.

Die Frauen sind auf Höfen und in KMUs sehrt wichtig

Lancierung an der Sichlete«BEstouz»: Berner Bauernverband beteiligt sich an Projekt zum ArbeitsstolzMontag, 18. September 2023Ursula Jakob ist denn auch der Meinung, dass Landwirtschaftsbetriebe dem örtlichen oder regionalen Gewerbeverein beitreten sollte. «So verschieden sind wir gar nicht», betont sie. Es gebe durchaus Parallelen. Oft hätten beide Seiten die gleichen oder ähnlichen politischen Ziele und Werte, wenn auch die Rahmenbedingungen anders seien. Höfe und auch KMU werden meist als Familienbetriebe geführt, in denen Frauen stark mitziehen. «Der Beitritt von Bauernbetrieben in den Gewerbeverein ist eine Chance, gegenseitig Verständnis zu generieren», ist die Unternehmerin überzeugt. Aus eigener Erfahrung, etwa bei Ausflügen mit dem Gewerbeverein, bei denen die Lebenspartner(innen) dabei sind, hat Ursula Jakob festgestellt, dass der gegenseitige Austausch für beide Seiten sehr bereichernd ist.

Fünf Verbände gründen zusammen «BEstouz»

Das erklärt auch, warum sie die neu gegründete Kampagne «BEstouz» unterstützt und befürwortet. Die Kampagne wurde von den fünf Berner Verbänden Berner Bauernverband, Gewerbeverband Berner KMU, Handels- und Industrieverein des Kantons Bern und Hauseigentümerverband Kanton Bern gemeinsam lanciert und heute an der Sichlete in Bern erstmals vorgestellt. «Die Kampagne stellt die Arbeitnehmenden ins Zentrum, welche durch ihr Schaffen die rund 70 000 KMU und die rund 10 000 Landwirtschaftsbetriebe im Kanton Bern überhaupt erst erfolgreich und möglich machen. Sie sollen stolz auf ihr eigenes Tun, aber auch auf ihre Arbeitgebenden und das Gesamtunternehmertum sein», heisst es in einer Mitteilung zur Lancierung der Kampagne. Ursula Jakob betont in diesem Zusammenhang zu Vereinbarkeit Beruf und Familie: «Frauen können und dürfen stolz darauf sein, was sie leisten; in den Landwirtschaftsbetrieben-Betrieben und in den KMU. Diesen Stolz auch nach aussen tragen, deshalb engagiere ich mich auch als Präsidentin der KMU-Frauen Bern. Es ist wichtig, dass wir Frauen selbstbewusst auftreten.» Zudem seien Familienbetriebe wichtige lokale Institutionen, «zu denen wir Sorge tragen müssen und stolz darauf sein können.» 

Der Wunsch vom bauern wird wahr

Schon früh wusste die Bauerntochter, dass sie gerne einmal bauern würde. Während sich dieser Wunsch für einige nicht erfüllt, hatte Ursula Jakob Glück. Denn mit Daniel Jakob trat der gewünschte Landwirt in ihr Leben. Als Erstberuf lernte sie Topfpflanzen- und Schnittblumengärtnerin. Weitere Ausbildungen, etwa die als Detailhandelsspezialistin und auch Betriebsökonomin kamen hinzu. «Ich habe immer gerne gelernt», verrät die 49-Jährige. Ihr beruflicher Weg führte sie schliesslich weg von den Pflanzen und in den Detailhandel. Während vier Jahren leitete sie in Ins am Dorfplatz den Käsereiladen, bevor sie 2003 die Chance packte, das Modegeschäft gleich um die Ecke zu übernehmen. Daneben ist sie mit Haushalt, Buchhaltung und Stallarbeit auch auf dem Hof eingebunden. «Mit jedem Branchenwechsel bin ich mutiger geworden. Der Laden war die Möglichkeit, mich selbständig zu machen», betont Ursula Jakob. Heuer hat sie bereits das 20-jährige Jubiläum ihres Geschäfts gefeiert, erklärt sie stolz. [IMG 2]

Den Lebensumständen immer wieder neu anpassen

Hof, Kinder, Familie, eigenes Geschäft und auch diverse wechselnde, mehrjährige Ämtli in der Schulkommission, dem Gewerbeverein Ins und nun das Präsidium der KMU-Frauen – all das sei nur dank der Mithilfe ihres Mannes Daniel und den drei langjährigen Mitarbeiterinnen im Modegeschäft möglich. Das sei von Anfang an ihr Ziel gewesen, dass der Laden genug Umsatz abwirft, um Mitarbeitende zu beschäftigen. Ihre eigenen Arbeitszeiten passt sie jeweils den sich verändernden Umständen an. Als die Kinder klein waren, lag das Pensum niedriger als jetzt. «Ich kann auch nicht mehr als andere», betont Ursula Jakob fast entschuldigend. «Ich engagiere mich halt gerne, arbeite gerne viel und kann gut priorisieren.» Trotz ihren Erfahrungen musste sie sich ins Amt der Präsidentin der KMU-Frauen zuerst einleben. «Vorne dran stehen und moderieren, da musste ich aus meiner Komfortzone raus und das noch etwas üben. Aber siehe da: Es geht», erklärt sie und ergänzt: «Man wächst mit allem.» Das Amt sei sehr bereichernd und anregend und: «Gibt mir enorm viel.» Rückblickend auf ihr bisheriges Leben bilanziert Ursula Jakob: «Wir hatten bei allem immer auch Glück, wir waren immer alle gesund.» Das weiss sie zu schätzen.